Antwort auf Wahlprüfstein

Wahlprüfsteine des "Clubs am Main e.V."

Tanzverbote, Clubkultur, Kulturräume, GEMA, Lärmschutz vs. Urbanität...

  

1. Tanzverbote

Die Diskussionen um das Tanzverbot entzünden sich meist am Karfreitag. Dabei wird oft vergessen, dass in Hessen, neben den ganztägigen Tanzverboten, noch an allen weiteren 13 Feiertagen und an allen Sonntagen zeitlich befristete, öffentliche Tanzverbote gelten (u.a. an Neujahr, Ostern und Weihnachten). Damit hat Hessen die restriktivste Feiertagsgesetzgebung in der Bundesrepublik. In Hamburg, Berlin und jüngst auch in Baden-Württemberg wurde die Tanzverbotsgesetzgebung bereits deutlich gelockert. Ebenso in Bremen, wo die Bürgerschaft darüber hinaus plant, bis 2018 Tanzverbote komplett abzuschaffen. Clubs am Main fordert, dass auch in Hessen endlich die überkommenen Tanzverbote aufgehoben werden.

Wie steht Ihre Partei zu einer Novellierung des Hessischen Sonn- und Feiertagsgesetzes?

Laizismus ist ein Grundpfeiler der Programmatik unserer Partei. DIE LINKE lehnt daher Tanzverbote an Feiertagen grundsätzlich ab und wird sich jeder Initiative zu ihrer Abschaffung anschließen, oder in einer günstigen Situation eine solche selbst ergreifen. Bei der Sonntagsarbeit stehen wir für eine Beschränkung auf die wirkliche erforderlichen Ausnahmen. Zu diesen gehört offensichtlich der Kulturbereich, so dass die bei Euch vernetzten Clubs hier keine Einschränkungen befürchten müssen.


2. Sichtbarkeit von Clubkultur

Erfolgreiche Club- und Live-Musikveranstaltungen bedürfen der Sichtbarkeit und Wahrnehmung. In den vergangenen Jahren sind Plakatflächen im öffentlichen Raum jedoch fast komplett in die wirtschaftliche Verwertung gegeben worden und werden zu Preisen vermarktet, die für kleine Kulturspielstätten und Clubs nicht darstellbar sind.

Wie steht Ihre Partei zur Einführung von Kulturtarifen für Clubs und Musikveranstalter und zur Schaffung von eigens für diese reservierten Plakatflächen in attraktiven Innenstadtlagen?

Auch politische Parteien und Initiativen sind von der Privatisierung der Plakatflächen, verbunden mit einer restriktiven Ordnungspolitik bezüglich der Plakatierung mit auf Pappen, stark betroffen. Im Darmstädter Umland verlangen einige Kommunen Mondpreise für die Plakatierung von politischen Veranstaltungen, was – im Falle politischer Veranstaltungen - sogar im Hinblick auf die Ausübung der Meinungsfreiheit zu hinterfragen ist. Insofern können wir eure Kritik und eure Forderung gut nachvollziehen. In Darmstadt ist die Politik bezüglich der Plakatierung im öffentlichen Raum allerdings bislang recht liberal. Politische und nichtkommerzielle kulturelle Veranstalter dürfen gegen eine geringe Gebühr Plakate auf Pappen im öffentlichen Raum platzieren. Wir werden jede Verschlechterung dieser Regeln kritisieren und zusammen mit anderen Betroffenen dagegen vorgehen. Wenn die Forderung nach gut platzierten Plakatflächen von Kulturveranstaltern gestellt wird, werden wir dies unterstützen.


3. Livemusik-Cent

Clubs und Live-Musikspielstätten gehören zur DNA unserer Städte und tragen entscheidend zur Attraktivität einer Metropolenregion bei. Während beispielsweise in Hamburg ein Fonds in sechsstelliger Höhe zur Förderung der Livemusik bereit steht, der entscheidend zu einer anhaltende Vielfalt des Livemusik-Angebotes beiträgt, spielt das Thema in den Köpfen und Töpfen der hiesigen Kulturförderung jedoch kaum eine Rolle. Mit nur 50 Cent pro Einwohner und Jahr wären vielfältige Infrastruktur-Programme und neue Angebote durch ein Kulturinvestment in Clubs und Live-Musikspielstätten möglich! Eine solche strukturelle Förderung würde auch bei uns eine positive Wirkung für eine vielfältige Musikkultur entfalten.

Welche Konzepte hat Ihre Partei, um zukünftig weiter ein attraktives Angebot an Club- und Musikveranstaltungen in der Stadt zu ermöglichen und wären Sie bereit, auch entsprechende Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen?

Die Einführung einer zusätzlichen Abgabe für Kultur ist rechtlich nicht vorgesehen. Der Versuch, eine „Bettensteuer“ für Hotelgäste zugunsten der lokalen Kultur einzuführen, ist vor den Gerichten gescheitert. Daher kann eine substantielle Förderung der Subkultur nur aus Haushaltsmitteln erfolgen. In unserem Wahlprogramm (kurzlink.de/linkes-kowaprog16-da) fordern die Verdoppelung der Förderung der freien Kultur auf 4 Prozent des städtischen Kulturetats. Außerdem schlagen wir einen Solidaritätsbeitrag der Staatstheater-Besucher/innen für die freie Kulturszene vor: Auf alle Staatstheater-Tickets der oberen Preisklassen sowie bei Premieren wird ein Zusatzbetrag von einem Euro erhoben, der direkt der freien Kulturszene zu Gute kommt. Solche Mittel kämen auch für defizitäre Livemusik-Veranstaltungen in Frage. Zu diskutieren wäre, inwieweit hierzu der nichtkommerzielle Charakter des Veranstaltungsorts berücksichtigt werden muss.


4. Schutz von Kulturräumen

Das Bild unserer Innenstädte verändert sich derzeit rasant. Die städtebaulichen Veränderungen bergen Chancen und Risiken. Die Nachverdichtung innerstädtischer Lagen durch die kommerzielle Immobilienverwertung ist für Clubs und Live-Musikspielstätten oft existenzbedrohend. Clubs am Main vertritt den Standpunkt, dass es wichtig ist, dass Livemusik auch weiterhin in unseren Innenstädten einen Platz hat. Dazu bedarf es eines kommunal verankerten Instrumentariums zum Schutz bestehender Clubs und Musikspielstätten.

Wie steht Ihre Partei zum Erhalt von bestehenden Kulturorten wie auch der Schaffung neuer Räume als integrales Ziel der Stadtplanung?

Das Fehlen von Räumen für nichtkommerzielle politische und kulturelle Nutzung ist in Darmstadt ein gravierendes Problem. Was die Clubszene betrifft, war der Wegfall des „603qm“ ein gravierender Einschnitt gewesen. Ursache war zunächst der Immissionsschutz, später dann der Abriss des Gebäudes zugunsten eines Neubaus. In Darmstadt sind Musikveranstalter z.B. mit der Goldenen Krone, dem StudentInnenkeller im Schloss oder der Centralstation auch in der Innenstadt vertreten, in Innenstadtnähe gibt es das An Sibin oder das Green Sheep, in den Stadtteilen das Hoffart-Theater, das Zucker oder die Bessunger Knabenschule, zudem noch das JuKuZ Oetinger Villa. All diese Orte sind wichtig und werden von uns verteidigt, sofern sie das benötigen. Die Wiedereröffnung des 603qm müsste an der Uni durchgesetzt werden, was aber wohl noch nicht unmittelbar auf der Agenda steht. Auch auf öffentlichen Plätzen finden Konzertveranstaltungen statt, insbesondere auf dem Riegerplatz und auf dem Kantplatz (wo wir selbst unser Sommerfest veranstalten). Geplante Kostensteigerungen für die Überlassung dieser Plätze haben wir zusammen mit anderen Veranstaltern abgewehrt. In unserem Programm fordern wir die Freigabe von nicht genutzten städtischen Liegenschaften zur Zwischennutzung durch alternative Kulturprojekte.

5. GEMA

Die GEMA erfüllt eine wichtige Aufgabe bei der kollektiven Wahrnehmung der Urheberrechte. In der Praxis wird die GEMA jedoch aufgrund ihrer Struktur und dem geringen Maß an politischer und gesellschaftlicher Kontrolle der wichtigen Aufgabe für eine angemessene Vergütung der Urheber zu sorgen nicht gerecht. Die von der GEMA immer wieder einseitig neu eingeführten Tarife, sowohl für Clubs und Diskotheken wie auch für Konzerte beinhalten existenzbedrohende jährliche Erhöhungen – für viele Spielstätten ein „Tod auf Raten“.

Wie beurteilt Ihre Partei die andauernden GEMA-Tariferhöhungen für Clubs und Live-Konzerte und den Umstand, dass aufgrund der bestehenden Rechtslage nicht auf Augenhöhe mit der GEMA verhandelt werden kann?

DIE LINKE spricht sich grundsätzlich für die Existenz von Verwertungsgesellschaften aus, kritisiert aber die konkrete Umsetzung in der GEMA. Die Diskussion um die GEMA-Gebühren ist kein lokales Thema. Daher verweisen wir auf die entsprechende Kritik unserer Landtags- und Bundestagsfraktionen. Ulrich Wilken (MdL aus Frankfurt) erklärte am 6.9.2012: „Die von der GEMA vorgelegte Tarifreform gefährdet die kulturell vielfältige Diskotheken-, Club- und Musikszene, weil sie die Veranstalterinnen und Veranstalter vor existentielle Probleme stellt. […] Darüber hinaus ist eine umfassende Demokratisierung des Systems der Verwertungsgesellschaften notwendig. Erforderlich ist die Gewährleistung einer demokratischen Teilhabe aller Wahrnehmungsberechtigten in den Entscheidungsgremien und bei der Verteilung der Einnahmen. Das gilt insbesondere für nicht etablierte Künstlerinnen und Künstler, Urheberinnen und Urheber sowie Kleinveranstalter“. Am 17.10.2012 erklärte die Bundestagsfraktion bei der Einbringung eines Gesetzentwurfs: „Deshalb fordert die LINKE, dass die GEMA-Vermutung auf den Prüfstand muss. Dort wo statistisch gesehen fünf Prozent oder mehr Werke genutzt werden, die nicht in den Wahrnehumgsbereich der Verwertungsgesellschaften fallen, soll die GEMA-Vermutung abgeschafft werden.“


6. NachtbürgermeisterIn

Seit 2003 verfügt Amsterdam über einen sogenannten „Nachtbürgermeister“. Er ist von städtischer Seite Vermittler und Ansprechpartner für die Bedürfnisse und Belange der Club- und Veranstalterszene. Die Kommunikation zwischen Stadt und Veranstaltern ist verbessert worden, Problemfelder wurden schneller identifiziert und aufgearbeitet. Der Ruf des Amsterdamer Nachtlebens sowie dessen Bedeutung für den Tourismus haben sich signifikant verbessert. In Köln und Berlin wird nun ebenfalls über die Ernennung eines/r Nachtbürgermeisters/in nachgedacht.

Wie steht Ihre Partei zu der Idee eines/r Nachtbürgermeisters/in?

Es besteht die Hoffnung, dass in einer Stadt von der Größe Darmstadts, in der das Nachtleben – von Ausnahmen wie dem Schlossgrabenfest abgesehen - nicht durch „Kultur-Touristen“ zusätzlich ausgeweitet wird, die Kommunikation der Probleme in kleinerem Maßstab als durch einen „Nachtbürgermeister“ geklärt werden kann. Wenn die Probleme eskalieren und Veranstaltungsorte oder -formen bedroht sind, wäre die Berufung eines solchen Vermittlers eine Option, die wir in Betracht ziehen würden.


7. Immissionsschutz

Das Thema Lautstärke und Nachtruhe birgt immer wieder Konfliktpotential zwischen Anwohnern/innen sowie Gastronomen/innen und Musikveranstaltern/innen. Um dem berechtigten Anliegen nach Lärmschutz und dem wachsenden gesellschaftlichen Bedürfnis nach öffentlichen Musikaufführungen und Veranstaltungen (auch unter freiem Himmel) Rechnung zu tragen, fordert Clubs am Main ein zeitgemäßes, modernes Immissionsschutzrecht. In Innenstadtlagen sollten Musikwiedergaben und damit verbundener „Bewegungslärm“ als Ausdruck der menschlichen Entfaltung und Gemeinschaftsbildung und damit als zumutbar eingestuft werden. Es ist nicht mehr zeitgemäß, die Bürger um 22 Uhr ins Bett zu schicken.

Welche Vorschläge hat ihre Partei um die Bedürfnisse nach Nachtruhe mit der Lebensrealität einer modernen und pulsierenden Stadtgesellschaft in Einklang zu bringen?

Urbanität ist mit Lebensstilen verbunden, die auch zu vorgerückter Uhrzeit eine gewisse Lautstärke mit sich bringen. Weitgehendes Ruhebedürfnis muss in Randlagen oder auf dem Land befriedigt werden. Andererseits kann Anwohnern ein Anrecht auf ruhigen Schlaf nicht abgesprochen werden – das gilt für den Flughafen ebenso wie für öffentliche Kulturveranstaltungen (wobei ersterer für die Betroffenen ungleich belastender wirkt). Zwischen dem Anspruch auf Nachtruhe und dem Bedürfnis nach öffentlicher Kultur – vom Draußensitzen in Cafés und Kneipen bis hin zu Konzertveranstaltungen – sind Kompromisse auszuhandeln. Einklagbare Rechte sollten auf ein Minimum reduziert werden, damit die Aushandlung in Form einer politischen Auseinandersetzung nach den lokalen Gegebenheiten stattfinden kann. Hierzu könnten Instrumente wie der „Nachtbürgermeister“ zum Tragen kommen.


8. Kulturräume statt Gefahrenzonen

Die vielfältige, regionale Clublandschaft ist ein kulturelles Pfund, mit dem gewuchert wird. Verdiente Vertreter/innen der Clubkultur aus der Region werden – zu Recht – mit Orden und Plaketten ausgezeichnet. Von polizeilicher Seite werden Clubs jedoch anscheinend nicht primär als kulturelle Einrichtungen, sondern als Orte zur Verabredung von Straftaten betrachtet, in denen nach §18 HSOG verdachtsunabhängige Durchsuchungen möglich sind. Es kommt immer wieder zu pauschalen Verdächtigungen von Party- und Festivalbesuchern/innen sowie zu unverhältnismäßigen Kontrollen bei der An- und Abreise von und zu Musikveranstaltungen.

Kulturräume oder Gefahrenzonen? Wie beurteilt Ihre Partei es, dass es im Umfeld von Festivals, Musikveranstaltungen und Clubs vermehrt zu verdachtsunabhängigen und überzogenen Personenkontrollen kommt?

DIE LINKE spricht sich grundsätzlich für die minimalistische Ausübung polizeistaatlicher Kontrolle aus. Das umfasst selbstverständlich die Ausweitung von verdachtsunabhängigen Durchsuchungen, von denen linke Aktivisten z.B. vor oder bei Demonstrationen ja auch häufig betroffen sind. In unserem Kommunalwahlprogramm haben wir unter dem Titel Freiheitsrechte sichern und öffentliche Räume erhalten hierzu formuliert: „Wir stehen zu einer zurückhaltenden Ordnungspolitik im öffentlichen Raum. Alle Menschen sollen sich auf ihre Weise entfallen können, solange dies Andere nicht bedroht oder schwerwiegend belästigt.“