Antwort auf Wahlprüfstein

DIE LINKE ist gegen TTIP, CETA und TiSA

Antworten auf die Fragen des Bündnisses "Stopp TTIP & Co Darmstadt-Dieburg"

 

Antworten auf die Fragen des Bündnisses "Stopp TTIP & Co Darmstadt-Dieburg"

 

Der Beantwortung vorausgeschickt sei die Feststellung, dass trotz dem nunmehr im Wirtschaftsministerium bereit gestellten „TTIP-Leseraum“ die Verhandlungen zu TTIP noch immer ohne die Beteiligung des EU-Parlaments, der nationalen Parlamente und der kommunalen Spitzenverbände geführt werden. Die Verhandlungen zu CETA sind ohne Beteiligung der o. g. Vertretungen und ohne „Leseräume“ beendet worden, zu den TiSA-Verhandlungen gibt es kaum öffentlich zugängliche Erkenntnisse.

 

1. Sehen Sie eine Gefährdung der Kommunen durch die vorgesehenen Investitionsschutzregeln (ISDS)?

Ja. Der aus CETA bekannte und in TTIP und TiSA diskutierte ISDS-Mechanismus gibt den Investoren weitreichende einseitige Klagemöglichkeiten zur Durchsetzung ihrer vermeintlich durch staatliche Regelungen eingeengten Interessen gegenüber staatlichen Gebietskörperschaften, also auch gegenüber den Kommunen.

Für diese Investitionsschutzklagen ist jedoch nicht die in den Vertragsstaaten demokratisch legitimierte öffentliche Gerichtsbarkeit vorgesehen, sondern eine privat organisierte Schiedsgerichtsbarkeit. Auch der von der EU-Handelskommissarin Malmström vorgeschlagene Handelsgerichtshof würde neben unserer demokratisch verfassten Gerichtsbarkeit stehen. Diesen „dritten Weg“ lehnen wir ab, da er eine nicht-öffentliche, völlig intransparente Sondergerichtsbarkeit für einzelne Gruppen von Rechtssuchenden schafft, die außerdem weder in den EU-Regularien noch in unserem Grundgesetz vorgesehen ist.

Hinzu kommt, dass ISDS-Klagen von Investoren gegen Gebietskörperschaften schon bei kleinstem Verdacht auf Schmälerung von Gewinnen durch den Erlass staatlicher Regelungen angestrengt werden können. Dadurch entsteht für die beklagten Kommunen ein erhebliches Kostenrisiko durch Schadensersatz für entgangene Gewinne und durch Prozesskosten. Solche Risiken würden die Entscheidungsbereitschaft nationaler und kommunaler Parlamente für Regelungen zum Umweltschutz, Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz und zur öffentlichen Daseinsvorsorge stark einschränken. Handlungsspielräume hinsichtlich der Angebotsbreite und der Kosten für alle öffentlichen Dienstleistungen von der Wasserversorgung über Kita-Gebühren bis zur Kunst- und Kulturförderung wären bedroht.

Ein weiteres Problem neben den ISDS-Mechanismen stellt der in CETA schon verankerte und in TTIP und TiSA diskutierte „Regulatorische Rat“ dar. Aus den CETA-Dokumenten ist bekannt, dass er sich aus Vertretern der Handelskammern und anderer Lobbyorganisationen zusammensetzen soll und die Aufgabe hätte, Vorhaben staatlicher Regelungen durch Gesetze, Verordnungen, Satzungen oder Ähnliches vor Beginn der parlamentarischen Diskussion auf die Konformität mit den Abkommen zu prüfen. Auch dies ist für uns ein unzulässiger Eingriff in die demokratisch verfasste Souveränität nationaler Gebietskörperschaften.

 

2. Wie bewerten Sie die bei CETA geforderte Liberalisierung städtischer Dienstleistungen? Betroffen von der Marktöffnungs- und Gleichbehandlungspflicht gegenüber kommerziellen Unternehmen aus der EU und Kanada könnten die Abfallwirtschaft (HSE), Buslinien der HEAG (mobiBus) oder soziale Dienste sein.

Dem mittlerweile veröffentlichten Vertragstext von CETA sowie geleakten Dokumenten zu TTIP und TiSA ist zu entnehmen, dass alle drei Abkommen Liberalisierungsverpflichtungen und Marktöffnungsvorgaben für kommunale Dienstleistungen vorsehen. Neben der Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben sichern die zumindest ansatzweise demokratisch bestimmten und kontrollierten städtischen Dienstleistungen den Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft. Die Art und Weise der Erbringung und die Preisgestaltung der jeweiligen Dienstleistung – ob Wohnungsbauförderung, Satzungen über Parkraumbewirtschaftung oder soziale Bodennutzung – wird in den kommunalen Parlamenten demokratisch beschlossen. So kann bei entsprechendem politischen Willen eine allen Bevölkerungsgruppen gerechte Preis-, Kosten- und Mittelverteilung erreicht werden.

Ein liberalisierter Markt für die dann privatisierten zuvor öffentlichen Dienstleistungen kann diese Garantien nicht mehr halten und will es auch in der Regel nicht, da er ausschließlich auf Gewinnerzielung ausgelegt ist. So lassen sich unsere Vorstellungen von einer sozial gerechten Gesellschaft nicht erreichen.

 

3.  Wie stehen Sie zu dem Gebot, kommerzielle Anbieter aus den Vertragsstaaten in gleicher Weise und in gleicher Höhe zu fördern wie kulturelle Initiativen/Einrichtungen der Region?

Kunst- und Kultur sind der integrierende Bestandteil unserer Gesellschaft und als solches auch Garant für eine lebenswerte Kommune. Kunst und Kultur bringt Menschen zusammen, setzt Diskussionsprozesse in Gang, braucht Räume zum Austauschen und zum Experimentieren - und das alles vor Ort, in der Region und in der Kommune. Darmstadt hat ein sehr breites, vielfältiges und lebendiges kulturelles Angebot. Wir wollen einerseits ein breites und befruchtendes Kulturangebot erhalten und die Zugänglichkeit zu Kunst und Kultur für Alle so niederschwellig und kostengünstig wie möglich gestalten. Andererseits sind öffentliche Zuschüsse und Förderungen (Investitionszuschüsse, Projektförderungen, Mietkostenzuschüsse etc.) unbedingt notwendig,um den Kunst- und Kulturschaffenden den Lebensunterhalt zu sichern.

Kulturkonzerne wie z.B. Musical-Produzenten oder Amazon wollen TTIP, CETA und TiSA nutzen, um die Kulturförderung und bestehende Schutzregeln wie Buchpreisbindung oder Urheberrecht zu attackieren. Ein aggressiver Preiswettbewerb wäre die Folge. Große Konzerne könnten mit Dumpingpreisen den konventionellen örtlichen Buchhandel noch leichter als heute verdrängen. Kulturelle Einrichtungen wie Theater, Museen, die Kulturschaffenden mit ihrem großen Spektrum würden stark unter Druck gesetzt. Das vielfältige und nicht nur unter kommerziellen Gesichtspunkten stehende preiswerte Angebot müsste kommerziellen Anbietern weichen. Das kann nicht unser Ziel sein.

 

4.  Wie beurteilen Sie die Liberalisierung der städtischen Vergabe von Dienst- und Bauleistungsaufträgen (Beschaffung)? Welche Folgen sehen Sie für die Arbeitsplätze, für die kleinen Unternehmen und sozialen Dienste in Darmstadt?

Bei öffentlichen Aufträgen von Bund, Ländern und Kommunen können bislang arbeitsrechtliche, umweltpolitische oder Verbraucherschutzkriterien vorgegeben oder regionale Anbieter bevorzugt werden (siehe z. B. das Tariftreuegesetz des Landes Hessen oder die von der Stadtverordnetenversammlung Darmstadts beschlossenen Vereinbarungen zur sozialen und ökologischen Beschaffung). Dies soll künftig ab bestimmten, niedrig angesetzten Ausschreibungsbeträgen nicht mehr wie bisher möglich sein. Im CETA-Beschaffungskapitel ist der Schwellenwert zur Ausschreibung von Dienstleistungen für Krankenhäuser, soziale Dienste etc. auf 258.000 Euro fixiert, für Bauleistungen auf ca. 5 Mio Euro.  CETA verbietet die Kopplung der Vergabe an bestimmte Bedingungen wie etwa die Förderung der lokalen Entwicklung oder die Verwendung von lokalen Vorprodukten und Vorleistungen. Dies wird zu Lasten öffentlicher Anbieter und KMU gehen und nur Konzernen und großen Unternehmen nutzen.

Regionale Anbieter, kleine und mittlere regionale Unternehmen und Anbieter von sozialen Diensten stünden in Konkurrenz zu multinationalen Konzernen, die über das Know-how und die finanziellen Mittel verfügen, an internationalen Ausschreibungen teilzunehmen.  Regionale Anbieter und Unternehmen kennen die Kommunen und ihre Eigenheiten, bieten kurze Wege und schnelle Auftragserledigung, beschäftigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Kommune und der Region und sie zahlen Steuern und Abgaben vor Ort. Davon profitieren die Kommunen. Durch das Gebot der Bevorzugung des günstigsten Anbieters, wie es in CETA, TTIP und TiSA vorgesehen ist, wären solche lokalen Wirschaftskreisläufe bedroht.

Nicht mehr das Allgemeinwohl oder konkrete soziale und ökologische (u. a. auch der Klimaschutz) Ziele bei der Vergabe von kommunalen Dienstleistungen und Aufträgen stehen im Vordergrund, sondern der Wettbewerb und der geringste Preis.

 

5. Wie stellen Sie sich als künftige/r Stadtverordnete/r zu diesen Abkommen? Sehen Sie die kommunale Selbstverwaltung gefährdet? Wenn ja, was wollen Sie tun?

DIE LINKE lehnt die Abkommen TTIP, CETA und TiSA ab. Wir stehen für einen fairen Handel, der alle einschließt, auch die Länder des Südens. Diese Abkommen dienen hingegen dazudie Menschen und ihr Handeln vor Ort auszuschließen. Wir stehen für eine sozial-ökologische Wende, die in der Kommune beginnen muss, bei der kommunalen Versorgung und Produktion von Energie, Wasser, Abfall, Wohnungen und Gewerbe, der Verkehrswende in der Region, der Gesundheitsversorgung, der Kultur und der Bildung. Diese Wirtschaftsfelder müssen in der Kommune, in der Hand der Menschen vor Ort bleiben oder ggf. wieder in die kommunale Verantwortung zurückgewonnen werden.

Die kommunale Selbstverwaltung sehen wir durch TTIP, CETA und TiSA gefährdet. Diese Abkommen schränken durch die ihnen eigenen Mechanismen wie ISDS, Liberalisierungsverpflichtungen,  Stillstands- und Ratchetklauseln, Ausschreibungs-Verpflichtungen und die Einsetzung eines „Regulatorischen Rates“ die Souveränität der Politik und die grundgesetzlich garantierte Selbstverwaltung der Kommunen ein. Sie gefährden damit unsere demokratische Verfasstheit.

Im Mai 2014 hatten wir als Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung den Antrag gestellt, die Stadt Darmstadt möge sich über die kommunalen Spitzenverbände dafür einsetzen, dass die Verhandlungen zu TTIP gestoppt werden. Die anschließende Diskussion zeigte, dass noch ein großer Informationsbedarf zu den Auswirkungen von TTIP, CETA und TiSA  besteht. Deshalb haben wir uns Beginn dem Bündnis „Stopp TTIP & Co Darmstadt-Dieburg“ angeschlossen. Wir haben die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP, Demonstrationen gegen die Freihandelsabkommen sowie  Diskussionsveranstaltungen und Infostände vor Ort unterstützt. Zusammen mit dem Bündnis und allen anderen daran interessierten Fraktionen wollen wir einen neuen breit getragenen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung einbringen, der deutlich zum Ausdruck bringt, dass Darmstadt als betroffene Kommune die Abkommen TTIP, CETA und TiSA ablehnt.