Hauptelternbeirat Darmstadt

Seit 2013 besteht für Kinder ab einem Jahr ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Dass eine solche Betreuung zum gewünschten Zeitpunkt angeboten werden kann, ist auch in Darmstadt noch keine Selbstverständlichkeit; oft warten Eltern Monate auf eine Zusage. Dies hängt sicherlich auch mit der hohen Auslastung der bestehenden KiTas und der wachsenden Kinderzahl zusammen

Welche Pläne haben Sie, den steigenden Bedarf in Zukunft zu decken?

Der Versorgungsgrad in der Kindertagesbetreuung in Darmstadt muss weiter verbessert werden. Besonders im U3-Bereich nimmt die Nachfrage nach Plätzen stetig zu. Alle Eltern müssen außerdem die Möglichkeit haben, für ihre Kinder einen wohnortnahen Platz in einer Kinderkrippe und einer Kita zu bekommen. DIE LINKE fordert einen dem Bedarf angepassten Versorgungsgrad auf Stadtteil-Ebene für alle Altersstufen.
Für uns ist klar, dass bei der Erschließung neuer Stadtteile, aktuell Lincoln und Ludwigshöhviertel, dort mehr als eine Kita für Ü3/U3-Betreuung geplant und errichtet werden muss – einmal um die kommende hohe Nachfrage nach Betreuungsplätzen eltern- und kindgerecht beantworten zu können, aber auch um Vielfalt und Wahlmöglichkeiten in der Kinderbetreuungsform zu gewährleisten.
Auch bei kleineren Quartiers-Neuerschließungen wie z B. dem Echo-Gelände, Verlegerviertel oder im Bereich Waldkolonie/Weststadt muss die Infrastruktur für die Kinderbetreuung und Grundschulen von Beginn an mitgedacht und entwickelt werden. Neue Betreuungsmöglichkeiten
sind entweder direkt zu schaffen oder die in der Nähe vorhandenen müssen dem steigenden
Bedarf angepasst werden. Bisher geschieht das zu wenig.

Darmstadt bietet eine große Vielfalt an Menschen und auch der Einrichtungs-Landschaft. Wie positionieren Sie sich zu der Einführung stadtweiter Qualitätsstandards gegenüber der Wahrung der Individualität von Einrichtungen? Wie kann ein Mittelweg zum Wohle der Kinder aussehen?

Die Kommunen sollen auf Grundlage des Hessischen Kinder- und Jugendgesetzbuchs (HKJGB) eigene Qualitätsstandards entwickeln. Darmstadt hat das 2015 mit Magistratsvorlage 2015/0093
(Qualitätsstandards in der Kindertagesbetreuung) getan. Leider wurden damals nur die geforderten Mindeststandards umgesetzt. Es wäre auch möglich gewesen, die Gruppengrößen an Bedarfen der Kita und ihrer inhaltlichen Ausrichtung, z.B. im Bereich Inklusion, deutlich zu senken.
Eine kleine, in Privatinitiative betriebene Kita mit wenigen Betreuungsplätzen muss nicht zwingend die gleichen Anforderungen an Raumgrößen oder Außenbereiche erfüllen wie eine große
Einrichtung – hier müssen Abwägungen zugunsten der Kinder und der um Betreuung engagierten Menschen möglich sein, auch im Sinne von wohnortnaher Betreuung. Wir halten es nach 5 Jahren für notwendig, dass die genannte Vorlage zu Qualitätsstandards
evaluiert und überarbeitet wird.

Für die Qualität einer Kinderbetreuung gibt es viele Indizien, zentral sind sicherlich der Betreuungsschlüssel – also die Quote der MitarbeiterIn zu betreuenden Kindern - und die finanziellen Mittel, die den einzelnen Einrichtungen zur Verfügung stehen. Auch vor dem Hintergrund des Schutzes der MitarbeiterInnen der Einrichtungen ist eine Erhöhung des Personalstandes erstrebenswert.

Liegt es in Ihrem Interesse, die Betreuungsschlüssel für Darmstädter KiTas zu senken, wenn ja, wie möchten Sie dies vorantreiben?
 

DIE LINKE fordert, dass die Gruppengrößen weiter reduziert werden: Nach wissenschaftlichen Empfehlungen sollten Krippengruppen nicht mehr als zwölf, in der Kita nicht mehr als 18 Kinder umfassen. Gleichzeitig schützt ein guter Betreuungsschlüssel die Erzieher*innen vor Überlastung und Stress, was die Qualität verbessert und stark beiträgt zur Motivation der Beschäftigten und somit auch zum Verbleib in ihrem Beruf. Vorantreiben wollen wir dies mit der unter Frage 2. aufgeführten Evaluation und Anpassung der bisherigen Qualitätsstandards für die Kinderbetreuung für Darmstadt.

Ist eine Erhöhung der finanziellen Mittel für Einrichtungen, sowohl in spezifischen Ausgabenbereichen als auch zur selbstgewählten Verfügung, geplant?

DIE LINKE ist sehr dafür, die Kinderbetreuung finanziell besser auszustatten. Um die vorgenannten Verbesserungen des Angebots und der Qualität umzusetzen bedarf es erheblicher Mehrausgaben, vor allem wenn man – wie wir – die Kinderbetreuung komplett kostenlos anbieten möchte.
Leider hängen die finanziellen Möglichkeiten der Stadt zum großen Teil von Entscheidungen auf höheren Ebenen ab. Die Finanzierung der Kinderbetreuung ist der größte Ausgabeposten für die Kommunen, so dass substantielle Verbesserungen unter den Bedingungen der aktuellen Kommunalfinanzierung nicht zufriedenstellend umsetzbar sein werden. Aus diesem Grund kritisiert DIE LINKE die Unterfinanzierung der Kommunen, während andere sich für die Einhaltung der „schwarzen Null“ feiern. Wir kritisieren auch die Verletzung des Prinzips „Wer bestellt – bezahlt“: Auf Bundesebene wurde das Recht auf einen Kitaplatz beschlossen, dafür werden aber nicht die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt, so dass die kommunale Ebene am Ende draufzahlt, insbesondere dann, wenn sie ein Betreuungsangebot mit hoher Qualität bereitstellen will. Deshalb kämpft DIE LINKE für eine auskömmliche finanzielle Beteiligung des Landes Hessen an der Kinderbetreuung sowie insgesamt für eine sozial gerechte Steuerreform (Stichwort Vermögenssteuer), die den Kommunen durch höhere Finanzzuweisung zugute kommen muss. Kleinere Verbesserungen halten wir jedoch durchaus für finanzierbar: die bessere Bezahlung aller Erzieher*innen nach Stufe 8b, die Leitungsfreistellung, die Reduzierung der Elternbeiträge für die über die kostenfreie Kernzeit hinausgehenden „Randstunden“ sowie ein kostenfreies Kita-Essen für alle.

Welche Maßnahmen möchte Ihre Partei umsetzen, um die MitarbeiterInnen in den Einrichtungen respektvoll – darunter verstehen wir zusätzlich zu den zur Zeit vertraglich festgesetzten Pflichten als ArbeitgeberIn - für ihre gesellschaftlich wertvolle Arbeit zu entlohnen?

Die Gehälter müssen den gestiegenen Anforderungen des Berufs angepasst werden. Dies würde es auch erleichtern, in den nächsten Jahren mehr Fachkräfte zu gewinnen. DIE LINKE fordert deshalb die Eingruppierung von Erzieher*innen von der Entgeltgruppe S8a auf die S8b im Rahmen des TVöD anzuheben. Nicht nur die reiche Stadt Frankfurt, sondern auch Rüsselsheim und zuletzt auch Hanau haben gezeigt, dass dies möglich ist.
Um qualifizierte Erzieher*innen zu auszubilden, muss eine fachgerechte Anleitung von Auszubildenden, Berufseinsteiger*innen und Berufsrückkehrer*innen gewährleistet werden. DIE LINKE hat im Landtag einen Gesetzesentwurf zur Verankerung von Praxisanleitung im hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch vorgelegt. Der leider abgelehnte Vorstoß beinhaltet sowohl ein Zeitkontingent von zwei bis vier Wochenstunden für die Anleitung selbst, als auch eine verbindliche Qualifizierung und regelmäßige Fort- und Weiterbildungen für Anleitungen. Wir wollen, dass in Darmstadt das Zeitkontingent und die Qualifizierungsvorgaben auch ohne gesetzliche Grundlage eingeführt werden.
Wir lehnen den Vorstoß der Landesregierung ab, komplett fachfremdes Personal mit gerade einmal 160 Stunden Qualifizierung dem dreijährig ausgebildeten Personal gleichzustellen. Dies ist der Qualität der Betreuung nicht zuträglich und wird weitere Fachkräfte aus dem Beruf treiben.
Schließlich wollen wir noch einen besonderen Punkt in die Debatte einbringen: Die Stadt schließt Verträge mit kirchlichen Trägern ab zum Betrieb von sozialen Einrichtungen wie Kindertagesstätten. Die Kirchen nehmen ein Sonder-Arbeitsrecht in Anspruch. Dadurch wird immer wieder das Streikrecht beschnitten und versucht, die Gewerkschaften außen vor zu lassen. Grundsätzlich kann auch in die private Lebensführung der Beschäftigten eingegriffen werden. Im Einklang mit der Gewerkschaft ver.di fordert DIE LINKE grundsätzlich ein Ende dieses Sonder- Arbeitsrechts. Bis dahin fordern wir, dass Verträge zwischen Stadt und kirchlichen Trägern nur dann abgeschlossen werden, wenn die arbeitsrechtlichen Standards des öffentlichen Dienstes gelten.

Das Queere Zentrum Darmstadt soll eine Anlaufstelle für alle queeren Menschen und ihre Anliegen sein. Personen mit einer körperlichen Beeinträchtigung können jedoch nicht ohne fremde Hilfe das Gebäude betreten aufgrund der Treppensituation. Ebenfalls gibt es keine Toilette, die mit einem Rollstuhl benutzt werden kann. Somit führen die räumlichen Gegebenheiten zu einer Diskriminierung und einem Ausschluss von Menschen mit körperlichen Einschränkungen.

Wir fordern deshalb eine erweiterte Barrierefreiheit für das Queere Zentrum, mindestens durch einen rollstuhlgerechten Zugang und eine rollstuhlgerechte Toilette, ebenfalls aber durch das Hinzufügen eines taktilen Leitsystems, induktiven Höranlagen und sonstigen Einrichtungen.

Barrierefreiheit bezeichnet die Möglichkeit sich an einem Ort aufhalten und bewegen zu können ohne auf die Hilfe von Dritten angewiesen zu sein – Darmstadt ist das nicht. Bei der bedarfsgerechten Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sehen wir noch Luft nach oben und setzen uns für ein konsequenteres Vorgehen ein.

Für eine inklusive Gesellschaft benötigen wir einen barrierefreien Zugang zu Freizeit-, Kultur und Sportangeboten. Bildung und Informationen müssen allen Menschen unabhängig von individuellen Fähigkeiten und Mitteln zur Verfügung stehen und verständlich dargeboten werden. Dies gilt auch beim Zugang zu Informationen und Formaten, ob nun digital oder analog. Wir wollen Barrieren abbauen und unterstützen entsprechende Sensibilisierungsangebote für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen. Erst wenn Darmstadt eine Stadt für Alle ist, können wir von einer gelungenen Umsetzung sprechen.

DIE LINKE fordert daher die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Behindertenparkplätze sowie eine Ausstattung des öffentlichen Raums, welche die verschiedenen Arten von Barriere mitdenkt und auflöst (z.B.: Blindenleitsysteme, leichtgängige Türen, Einhaltung des 2-Sinne-Prinzips).

Den barrierefreien Ausbau des Queeren Zentrums unterstützt DIE LINKE daher ausdrücklich.

Was halten Sie von einer stärkeren politischen Einbindung der Elternschaft in aktive politische Prozesse, wie zum Beispiel ein Sitz im Jugendhilfeausschuss oder ähnlichem?

Wir halten es für sehr wünschenswert, dass der Hauptelternbeirat mit Sitz und Stimme am
Jugendhilfeausschuss sowie am Fachbeirat Kinderbetreuung teilnimmt. Eine entsprechende
Initiative werden wir unterstützen.

Unabhängig von unseren Fragen würde uns interessieren, welchen Stellenwert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Ihrer geplanten Politik hat, welche Unterstützung von Familien in herausfordernden Situationen wie zum Beispiel der Corona Krise planen und welche Schwerpunkte und Chancen zu Teilhabe und pädagogischer Bildung Sie im Bereich der Kinderbetreuung sehen.

Der Feminismus ist eine Grundlage unserer Partei. Daher hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für uns einen sehr hohen Stellenwert, denn es sind ja meistens die Frauen, die diesen Spagat machen müssen.

Auch Sorge- und Pflegearbeit wird überwiegend von Frauen geleistet, die zudem durch Homeoffice und Homeschooling belastet waren und sind. Diese Arbeitsfelder müssen finanziell aufgewertet und der Arbeitsdruck muss dort verringert werden. Dies würde die Widerstandsfähigkeit von Familien erhöhen in Krisen wie der aktuellen Pandemie. Außerdem ist es uns wichtig, dass Hilfs- und Beratungsangebote bedarfsgerecht angeboten werden. Als eine Erkenntnis aus der Pandemie nehmen wir mit, dass die Schulsozialarbeit sehr wichtig und dringend auszubauen ist.