"Den Kapitalismus biegen, bis er bricht"

Nachruf der LINKEN. Darmstadt auf Heinz Schäfer

Der Kreisverband DIE LINKE. Darmstadt trauert um sein langjähriges aktives Mitglied Dr. Heinz Schäfer. Er ist am 29.4.2010 im Alter von 82 Jahren überraschend verstorben.

Heinz war von Anfang an ein politischer Mensch. Als Jugendlicher wurde er, zunächst als Luftwaffenhelfer und später als Soldat, zum Krieg eingezogen. Ende 1944 kam der 17-jährige Darmstädter bei einer Veranstaltung in der "Goldenen Krone" mit dem kommunistischen Widerstand gegen das untergehende Hitlerregime in Kontakt und begann, sich der Politik zuzuwenden. In der auf den Trümmern des Nationalsozialismus entstandenen Bundesrepublik musste er, als Mitglied und Aktivist der KPD, behördliche Verbote und polizeiliche Repression seiner politischen Betätigung erleben. Besonders das von Ludwig Metzger im Jahr 1950 verhängte Berufsverbot gegen seine Person enttäuschte und verletzte ihn zutiefst. Bis zuletzt erboste ihn der Machtmißbrauch des damaligen Darmstädter Oberbürgermeisters. In der Sabotage des Regierungswechsels in Hessen 2008 durch Dagmar Metzger zeigte sich in seinen Augen die Kontinuität einer Familie, die über drei Generationen hinweg jede fortschrittliche Politik bekämpft hatte.

Als Reaktion auf das Berufsverbot verließ Heinz die BRD. Auf Studium und Promotion an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität folgte ab 1956 die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Wirtschaftsinstitut Berlin. 1969 kehrte er zurück nach Hessen an das Institut für Marxistische Studien und Forschungen in Frankfurt, einer der DKP nahestenden Denkfabrik, und wurde auch Mitglied dieser Partei. 1975 entschied er sich für den Wechsel zum Journalismus und wurde Redakteur der Zeitschrift "Nachrichten zur Wirtschafts- und Sozialpolitik", wo 1989 seine berufliche Laufbahn endete. Er publizierte jedoch weiter als freier Journalist.

Am 2.7.1994 wurde Heinz Mitglied des Kreisverbands Darmstadt-Odenwald der PDS. Er war über viele Jahre Mitglied im Parteirat und im Ältestenrat der Partei. Bei der Bundestagswahl 2005 vertrat er die PDS als Direktkandidat. Unvergessen bleibt sein fulminanter Auftritt bei der Podiumsdiskussion des Darmstädter Echo in der Centralstation. Seit der Gründung des Darmstädter Kreisverbands am 19.7.2007 war Heinz Schäfer Mitglied der Partei DIE LINKE.

Die Arbeit mit und in der Gewerkschaft war für ihn unverzichtbarer Bestandteil linker Politik. Zuletzt wirkte er als Mitglied des Kreisvorstandes des DGB Darmstadt-Dieburg, des Vorstands des DGB-Ortskartells Griesheim, des DGB-Landesseniorenausschusses und des Vorstands des Seniorenarbeitskreises Südhessen. Immer wieder brachte er gewerkschaftliche Positionen in die Diskussionen unseres Kreisverbands ein, und wir können wohl annehmen, dass er umgekehrt auch die politischen Inhalte der  Partei in die Gewerkschaftsgremien heineingetragen hat. In seinem Wohnort Griesheim kannten ihn viele Menschen durch die regelmäßigen Leserbriefe im Griesheimer Anzeiger, mit denen er sich in die kommunalpolitische Diskussion einmischte.

Seine langjährigen Wegbegleiter wie auch die neuen Genossinnen und Genossen haben Heinz als geradlinigen Mitstreiter erlebt, der unbeugsam und mit großem rhetorischen Vermögen für seine nach gründlicher Überlegung gefundene politische Linie eintrat. Dabei scheute er die Debatte gerade dann nicht, wenn er sich mit seiner Position in der Minderheit befand. Doch er suchte nicht den Streit um seiner selbst Willen, und war zufrieden, wenn seine Ansicht mit der Mehrheit im Kreisverband übereinstimmte, was oft genug der Fall war.

Heinz Schäfer hat einen großen Teil seines Leben dem Kampf gegen Nationalsozialismus und Faschismus gewidmet. Zunächst wirkte er mit am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in der DDR. Nach dem Scheitern dieses historischen Projekts ging es ihm dann um die Gewinnung einer neuen sozialistischen Perspektive. Mit Kritik am Stalinismus und an den Fehlern der KPD sparte er dabei nicht. Die gesellschaflichen Kräfteverhältnisse verlor Heinz nie aus den Augen, und Verbalradikalismus war ihm zuwider. Soziale Reformen standen für ihn nicht im Gegensatz zum Übergang in eine sozialistische Gesellschaft: er wollte den Kapitalismus "biegen, bis er bricht".

Die Mitglieder der LINKEN. Darmstadt werden seine reichhaltigen politischen Erfahrungen, sein immer wieder fruchtbar in unsere Diskussionen eingebrachtes historisches Wissen und seinen streitbaren Geist sehr vermissen.

 

Veröffentlichungen von Heinz Schäfer

Galerie "Heinz Schäfer"