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Seminar "Antisemitismus" - ein Kurzbericht

In den letzten Monaten haben antisemitische Übergriffe erheblich zugenommen. Jüd*innen fühlen sich in Deutschland einem stetigen Schwall an antisemitischen Erzählungen ausgesetzt. Auch in einem vermeintlich links-progressiven Freund*innen-Kreis. Die Linke Darmstadt hat sich daher vorgenommen einem ewig wiederholten „Nie wieder“ auch Taten folgen zu lassen. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen eine Fortbildung zum Thema „Antisemitismus“ anzubieten. Schwerpunkt sollte für uns hier die Perspektive auf antisemitische Narrative nach 1945 sein.

Die Bildungsstätte Anne Franke hat seit Dezember 2023 ein Projekt zu Antisemitismus innerhalb der politischen Linken. In diesem Zusammenhang gibt es auch Bildungs- und Fortbildungsangebote. Gemeinsam mit Bijan Razavi haben wir heute mit 12 Teilnehmer*innen zu den Fragestellungen rund um Antisemitismus gearbeitet.

  • Was ist Antisemitismus?
  • Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Antisemitismus und Rassismus?
  • Welche Erzählungen liegen Antisemitismus innerhalb der politischen Linken zugrunde?
  • Welche Positionen von Jüd*innen finden in welchem Zusammenhang Gehör?

Wir haben z.B. anhand von Karikaturen verschiedenster Epochen Diskussionen über antisemitische Narrative geführt. Wir haben herausgearbeitet, wie sehr Berufsverbote aus dem Mittelalter Narrative über die Juden als die „anderen Anderen“ geprägt haben. Wie die Erzählung der Vergiftung der Brunnen zu Zeiten der Pest sich noch bis in die Gegenwart fortsetzt. Wie sehr Menschen geneigt sind, genau diese Erzählungen bei Jüd*innen als im Kern wahr anzunehmen, während eine Übertragung auf eine andere Personengruppe diese Erzählung klar als unhaltbar entlarvt.

Wir haben über die Personifizierung des Kapitalismus als das „globale Finanzkapital“, „die Eliten der Ostküste“, als Heuschrecken und Kraken gesprochen. Aufgezeigt, wie hinter vielen dieser Erzählungen eine verkürzte Kapitalismuskritik steht. Verkürzt, weil sie häufig nur „die fremden Investoren“ angreift und dabei auslässt, dass auch einheimische Investoren zum Beispiel zur Spekulation mit Wohnraum beitragen. Verkürzt auch deshalb, weil hier in das „schaffende Kapital“ und das „raffende Kapital“ unterschieden wird. Kapitalismuskritik im marx’schen Sinne jedoch bereits bei der Frage nach dem Eigentum an Produktionsmitteln beginnt und die Überwindung des Kapitalismus nicht mit der Überwindung des Finanzkapitals erreicht werden kann.

Im Rahmen der Personifizierung des Kapitalismus haben wir darüber gesprochen, dass dadurch eine Auswahl negativer Eigenschaften auf Personen übertragen wird. Diese negativen Eigenschaften (z.B. Gier) begründen dann die Ausbeutung. Diese negativen Eigenschaften und somit der Kapitalismus könnten dann überwunden werden, wenn diese Menschen nicht mehr wären. Es ist deren Zerstörung als Lösung innerhalb einer solchen Erzählung mindestens als Lösung indirekt enthalten. Dies konnte insbesondere anhand der Theorie des „Antisemitismus als schiefe Ebene“ dargestellt werden.

Als Teilnehmer*innen des heutigen Workshops haben wir viele unserer eigenen Erzählungen hinterfragt und abgeklopft. Wir haben geprüft, wie schnell eine Erzählung antisemitisch gelesen werden kann und welche Bildsprache dies unterstützt. Unser Ziel ist es, sowohl innerhalb unserer Partei als auch der Zusammenschlüsse, in denen wir arbeiten sensibler für Antisemitismus zu sein.

Natürlich haben wir auch heute über den Nahostkonflikt, die Regierung Netanjahu, die Hamas und verschiedene Perspektiven auf die Situation gesprochen. Als Kreisverband sind wir uns dieser Spannungsfelder bewusst und unsere Solidarität gilt den Menschen auf beiden Seiten; den Jüd*innenund den Palästinenser*innen sowie den Menschen, die sich antisemitischen und antimuslimischen Anfeindungen ausgesetzt sehen. Hierzu könnt ihr unsere Position gerne auch auf unserer Homepage nachlesen.